Sachverhalt und Begründung:
Die Nachfrage nach Wohnbauflächen in Kraichtal ist hoch. Gleichzeitig verfügt die Stadt Kraichtal über kein adäquates Angebot. Die Aktivierung von Baulücken und sanierungsbedürftigen Leerständen erweist sich aufgrund fehlender Mitwirkungsbereitschaft der Eigentümer als schwierig.
Mit dem am 11.12.2019 gefassten Aufstellungsbeschluss des Bebauungsplans „Beim Friedhof“ sollen die planungsrechtlichen Voraussetzungen für eine weitere Wohnbauflächenentwicklung in Menzingen geschaffen werden.
Städtebauliche Konzeption
Das städtebauliche Konzept sieht einen Mix verschiedener Gebäudetypologien vor, deren Anordnung sich maßgeblich an der angrenzenden Bestandsbebauung, den angrenzenden Freiflächen sowie der Geländeverhältnisse im Gebiet orientiert.
Im nördlichen Teil des Gebiets, südlich des Erlenwegs und gegenüber dem bestehenden Gipser- und Stuckateurbetrieb sind dichtere Strukturen vorgesehen. Dort soll ein Alten- bzw. Pflegewohnheim mit Tagespflege und betreutem Wohnen untergebracht werden. Zusätzlich wäre eine Mischnutzung aus bspw. Dorfladen, Café oder Ärztehaus in Verbindung mit Wohnungen denkbar. Zwischen der Mischnutzung und dem südlich angrenzenden Wohngebiet ist eine Spielfläche vorgesehen. Ziel ist es, in diesem Bereich die öffentlichen Nutzungen vorzusehen, um eine Art Quartiersmitte zu etablieren. Die Fläche westlich des bestehenden Gipser- und Stuckateurbetriebs soll für eine mögliche Erweiterung des Betriebs zur Verfügung stehen.
Auf der Kuppe, östlich der Friedhofskappelle sind Einzel- und Doppelhäuser vorgesehen. Entlang des Hangs sind überwiegend Einzelhäuser geplant, unter anderem um übermäßige Geländemodellierungen zu vermeiden.
Aufgrund der vergleichsweise ebenen topographischen Verhältnisse ist im südlichen Teil des Plangebiets (südlich des Friedhofs) eine dichtere Bebauung mit Reihenhäusern sowie einem Mehrfamilienhaus geplant. Angesichts des Grundstückszuschnitts eignet sich hierfür der südliche „Zipfel“ des Plangebiets. Um einen Übergang in den angrenzenden Landschaftsraum herbeizuführen, ist nach Süden und Westen ein 4 m breiter Grünstreifen vorgesehen. Gleichzeitig kann so der Pietätsabstand zum Friedhof gewahrt werden.
Aufgrund der ungünstigen Bodenverhältnisse wird von einer Bebauung nördlich des Erlenwegs abgesehen.
Bebauungsplanverfahren / Fachgutachten
Der Bebauungsplan wird im klassischen zweistufigen Verfahren als qualifizierter Bebauungsplan gemäß § 30 Baugesetzbuch aufgestellt. Ein Umweltbericht mit Aussagen zu den ermittelten und bewerteten Umweltbelangen nach § 2 Abs. 4 Baugesetzbuch wurde der Begründung beigefügt. Da die Fläche erstmalig entwickelt wird, besteht die Pflicht zum Ausgleich des Eingriffs.
Nach den Bestimmungen des § 8 Abs. 2 BauGB sind Bebauungspläne grundsätzlich aus dem Flächennutzungsplan (FNP) zu entwickeln. Nach § 8 Abs. 3 BauGB können Bebauungspläne zudem gleichzeitig mit der Änderung/Ergänzung des Betreffenden FNP aufgestellt werden (Parallelverfahren).
Da der Bebauungsplan aus dem geltenden Flächennutzungsplan nicht vollständig entwickelt werden kann, da einzelne Bereiche bisher nicht für eine Bebauung vorgesehen waren, erfordert es eine Änderung des Flächennutzungsplans im Parallelverfahren nach § 8 Abs. 3 BauGB. Der Offenlagebeschluss zur Flächennutzungsplanänderung soll ebenfalls in der Sitzung vom 21.04. beschlossen werden.
Frühzeitige
Beteiligung der Öffentlichkeit sowie der Träger öffentlicher Belange
Die frühzeitige Beteiligung der Öffentlichkeit sowie die Beteiligung der Träger öffentlicher Belange (TöB) erfolgte gemäß § 3 Abs. 1 und § 4 Abs. 1 BauGB im Zeitraum vom10.08.2020 bis 11.09.2020. Während der öffentlichen Auslegung wurde seitens der Öffentlichkeit 3 Stellungnahmen abgegeben.
Von Seiten der Träger öffentlicher Belange sind während der Anhörung insgesamt 20 Stellungnahmen eingegangen.
Alle Stellungnahmen sowie die jeweiligen
Abwägungsvorschläge der Verwaltung sind der Synopse im Anhang zu entnehmen.
Gegenüber dem Bebauungsplanvorentwurf haben sich im Bebauungsplanentwurf einige Änderungen oder Ergänzungen ergeben:
- Der Gebietscharakter im nördlichen Teil des Plangebiets wurde von einer Mischgebietsfläche (MI) in eine Urbane Gebietsfläche (MU) umgewandelt,
- das vorgesehene Altenpflegeheim sowie das geplante Ärztehaus im südlichen Teil des Plangebiets wurden aufgrund der Gebietsausweisung im nördlichen Plangebiet in das nun neu ausgewiesene Urbane Gebiet versetzt.
- das Thema „Schallemissionen“ wurde durch eine schalltechnische Untersuchung geprüft, die dem Bebauungsplanentwurf beigefügt ist,
- von der im Bebauungsplanvorentwurf geplanten Parkfläche auf Höhe des bereits bestehenden Friedhofsparkplatzes wird aufgrund der Topographie abgesehen. Es finden sich neue Parkflächen im nördlichen Bereich des Plangebiets (Höhe vorgesehenes Altenpflegeheim) wieder,
- die Bezugshöhen wurden in den einzelnen Teilbereichen der vorhandenen Topographie angepasst,
- die Gebäudelängen der einzelnen Hausarten (Einzel-/ Doppel--/ Reihenhäuser) wurde den Gegebenheiten angepasst,
- Festsetzungen zu insektenfreundlichen Beleuchtungen wurden mitaufgenommen.
Urbanes Gebiet -
Quartiersmitte
Im Teilbereich 3 wird ein urbanes Gebiet
(MU) gem. § 6a BauNVO festgesetzt und i.V.m. § 1 (5,6) BauNVO modifiziert.
Ziel der Stadt Kraichtal ist es, im
nördlichen Teil des Plangebiets, gegenüber dem bestehenden Maler und Stuckateur
Betrieb, ein Alten- bzw. Pflegewohnheim mit Tagespflege und betreutem Wohnen
unterzubringen. Denkbar ist auch ein Ärztehaus. Dementsprechend werden neben
Wohngebäuden auch Geschäfts- und Bürogebäude, sonstige Gewerbebetriebe sowie
Anlagen für kirchliche, kulturelle, soziale, gesundheitliche und sportliche
Zwecke ermöglicht. Ergänzend sollen auch Cafés oder Läden möglich sein, sodass
Schank- und Speisewirtschaften sowie Einzelhandelbetriebe zulässig sind.
In Anwendung des § 1(5,6) BauNVO sind
Betriebe des Beherbergungsgewerbes sowie Anlagen für Verwaltungen nicht
zulässig. Sie entsprechen nicht den städtebaulichen Entwicklungszielen und sind
bevorzugt an anderer Stelle mit einer leistungsstärkeren öffentlichen
Verkehrserschließung anzusiedeln.
Aufgrund der vorgesehenen Nutzungen im
Teilbereich 3 (Alten- und Pflegeheim, Ärztehaus, Wohnen) und der Funktion als Quartiersmitte,
wird auch hier eine entsprechende Wand- und Gebäudehöhe ermöglicht, sodass 3
Geschosse möglich sind. Das östliche Baufenster im Teilbereich 3 ist relativ
großzügig bemessen, um hier zur Unterbringen des Alten- und Pflegeheims
entsprechend flexible Bauoptionen zu ermöglichen. Die Bezugshöhen und
Höhenfestsetzungen wurden so gewählt, dass sich die geplante Bebauung gut in
die Umgebung einfügt. Die östlich angrenzende Bestandsbebauung an der
Kiefernstraße umfasst nur ein Vollgeschoss. Um hier einen übermäßigen
Höhenversatz zu vermeiden, wird in den östlichen Teilen des Baufensters eine
geringere Wandhöhe festgesetzt, die zwei Vollgeschossen entspricht.
Artenschutzrechtliche Untersuchungen
Zur Untersuchung der artenschutzrechtlichen Belange wurde eine spezielle artenschutzrechtliche Prüfung vorgenommen (Ökologische Leistungen Fußer, Bebauungsplan „Beim Friedhof“ in Menzingen, Karlsruhe, September 2019, zuletzt geändert Februar 2021).
Die Artenschutzrechtliche Untersuchung kommt zu dem Ergebnis, dass im Zuge der Planaufstellung sich Eingriffe in Natur und Landschaft ergeben. Betroffen ist die nach Anhang IV der FFH-Richtlinie streng geschützte Zauneidechse. Einige Individuen konnten lediglich außerhalb des Plangebiets (nördlich des Friedhofs, westlich des Plangebiets) gefunden werden. Durch baubedingte Eingriffe können Tötungen der Tiere nicht ausgeschlossen werden. Zur Vermeidung der Tötung von Zauneidechsen wird parallel des Feldwegs ein Reptilienschutzzaun aufgestellt, um ein Einwandern in den Eingriffsbereich zu verhindern.
Im Zuge der speziellen
artenschutzrechtlichen Prüfung hat sich gezeigt, dass das geplante Vorhaben
unter Beachtung und Umsetzung der als verbindlich geltenden Vermeidungs- und
Minimierungsmaßnahmen sowie der Maßnahmen zum Ausgleich unter den
Gesichtspunkten der artenschutzrechtlichen Prüfung nach § 44 Abs. 1 BNatSchG
als zulässig einzustufen ist.
Die Abstimmung mit der Unteren
Naturschutzbehörde hat bereits stattgefunden. Die derzeitigen
Abstimmungsergebnisse werden geprüft und eingearbeitet. Als mögliche Fläche für
Maßnahmen könnte der nördliche Teil des Plangebiets verwendet werden.
Schallgutachten
Aufgrund der Lage des Plangebiets an der Bahnbrückener Straße (K3512) und wegen des bestehenden Gipser- und Stuckateur Meisterbetriebs im Gebiet wurde ein Schallgutachten beauftragt. Die Untersuchung der Auswirkungen durch die Verkehrszunahme des Bauvorhabens im Umfeld des Bebauungsplangebiets hat ergeben, dass durch die Veränderung der Lärmbelastung im Umfeld des Bebauungsplangebietes keine Erhöhungen von über 3 dB(A) bei gleichzeitigem Überschreiten der Immissionsgrenzwerte der 16. BImSchV entstehen. Entsprechend der Kriterien der Rechtsprechung auf Grundlage der 16. BImSchV sind damit Lärmschutzmaßnahmen diesbezüglich nicht erforderlich. Die Untersuchung des Gewerbelärms ausgehend von Anlagengeräusche nach TA-Lärm haben ergeben, dass durch die Neuordnung der Grundstückszuschnitte (Altenpflegeheim wird vom südlichen Teil des Plangebiets in den nördlichen Teil versetzt) sowie die Änderung der Festsetzung der Gebietsfläche in ein Urbanes Gebiet (in der frühzeitigen Beteiligung war eine Mischgebietsfläche vorgesehen), konnte ein Puffer geschaffen werden, um unzumutbare Lärmbelastungen zu minimieren.
Im Bereich des bestehenden Betriebes im Norden des urbanen Gebietes ist die Errichtung von aktiven Lärmschutzmaßnahmen als weniger sinnvoll anzusehen. Die Wirksamkeit einer Lärmschutzwand ist nicht für alle Geschossfassaden gegeben und schränkt den Betriebsablauf deutlich ein. Es wird daher empfohlen für die Gebäudefassaden, bei denen im Tageszeitraum noch geringe Überschreitungen der Immissionsrichtwerte der TA-Lärm entstehen können, passive Lärmschutzmaßnahmen in Form von entsprechender Grundrissorientierung vorzusehen, sodass an diesen Gebäudefassaden, keine zu öffnende Fenster von Aufenthaltsräumen angeordnet werden.
Durch die Anordnung des urbanen Gebietes sowie eine entsprechende Grundrissgestaltung findet eine der TA-Lärm bzw. der Rechtsprechung genügenden Maßnahmenkombination statt.
Die im Schallgutachten für den Bebauungsplan empfohlenen Festsetzungen wurden in den Bebauungsplanentwurf aufgenommen. Auf die weiteren Ausführungen im Schallgutachten wird verwiesen.
Bei Festsetzung der genannten Maßnahmen stehen dem Vorhaben keine immissionsschutzrechtlichen Bedenken entgegen.
Umweltbericht mit
Eingriffs-/ Ausgleichsbilanz
Zum Bebauungsplanentwurf wurde ein vollständiger Umweltbericht mit Eingriffs-/Ausgleichsbilanz erarbeitet. Der Bebauungsplanentwurf enthält nicht nur festgesetzte plangebietsinterne Maßnahmen zur Vermeidung, Minimierung und zum Ausgleich des Eingriffs in Natur und Landschaft (Dach- und Fassadenbegrünung, Pflanzbindungen), sondern auch Festsetzungen zu notwendigen externen Ausgleichsmaßnahmen. Letztere sind erforderlich, da der durch das Baugebiet ausgelöste Eingriff in Natur und Landschaft nicht vollständig in dem relativ kleinen Plangebiet selbst ausgeglichen werden kann.
Die externen Kompensationsmaßnahmen sind den Planungsrechtlichen Festsetzungen unter Punkt 6 oder dem ausführlichen Umweltbericht zu entnehmen.
Zum gesamten
Bebauungsplanentwurf wird auf die weiteren Erläuterungen in der Begründung
einschließlich des Umweltberichtes verwiesen.
Dem Gemeinderat wird empfohlen, dem formulierten Beschlussantrag zu folgen.
Anlagenverzeichnis:
1. Satzungen
2. Zeichnerischer Teil zum Bebauungsplan
3. Textteil zum Bebauungsplan mit örtlichen Bauvorschriften
4.
Städtebaulicher Entwurf zum Bebauungsplan
5. Spezielles artenschutzrechtliches Gutachten, Ökologische Leistungen Fußer
6.
Schallgutachten, Büro Köhler & Leutwein
7. Umweltbericht und Grünordnungsplan
8. Umweltbericht_Übersichtsplan mit Detailpläne
9. Grünordnungsplan Bestandsplan
10. Grünordnungsplan Maßnahmenplan
11. Bodengutachten
12. Synopse aus der frühzeitigen Beteiligung
Beschlussvorschlag:
1. Der Gemeinderat würdigt die während der frühzeitigen Beteiligung der Öffentlichkeit sowie der Träger öffentlicher Belange (TöB) eingegangenen Stellungnahmen und berücksichtigt diese, wie in der Abwägungstabelle vorgeschlagen
2. Der Gemeinderat billigt die Planentwürfe „Beim Friedhof“ mit örtlichen Bauvorschriften und Begründung, einschließlich Umweltbericht.
3. Der Gemeinderat beauftragt die Verwaltung mit der Durchführung des Verfahrens und beschließt die Offenlage des Entwurfs sowie die Beteiligung der Träger öffentlicher Belange nach §§ 2, 3 Abs. 2 und 4 Abs. 2 Baugesetzbuch.
II. Finanzielle Auswirkung
Die Stadt Kraichtal tritt für die Vorplanung (Artenschutz, Bebauungsplan,
technische Planung, Aufstellung Kostenschätzung, etc.) in Vorleistung. Unter
dem Sachkonto 44312000, Kostenstelle 52100000 sind ausreichend Finanzmittel
eingestellt. Im Rahmen des Verfahrens soll mit allen Eigentümern eine
Kostenübernahmeerklärung abgeschlossen werden, sodass die angefallenen Kosten
vollständig übernommen werden. Für die Leistungen des Erschließungsträgers
fallen erst nach Abschluss aller Übernahmeerklärungen Kosten an.