I. Sachverhalt
und Begründung
Der
Bundesgerichtshof hat in seinem Urteil vom 20.12.2018 eine strenge Beurteilung
darüber getroffen, was ein kommunales Amtsblatt veröffentlichen darf und was
nicht. Im Rechtsstreit lagen eine Tageszeitung mit Verbreitungsgebiet rund um
Crailsheim sowie die Stadt Crailsheim, deren Amtsblatt inhaltlich und
gestalterisch presseähnlich erscheint und zudem kostenlos verteilt wird. Alle
Kommunen sind angehalten, die eigenen Richtlinien im Licht des Urteils zu
prüfen und anzupassen.
Das Team, das an
der Herausgabe des Kraichtaler Amtsblattes beteiligt ist, revidiert eingehende
Berichte bereits seit Längerem anhand dieser rechtlichen Lage. Die neuen
Richtlinien ändern daher wenig an der bisherigen Handlungsweise der Redaktion,
vielmehr werden sie für mehr Transparenz sorgen und Berichterstattern und
Bürgern das Selbstverständnis eines Amtsblattes verdeutlichen. Auf den
derzeitigen Umgang mit Berichten wird am Ende der Vorlage nochmals eingegangen.
Hintergrund: BGH-Urteil stellt das Gebot
der Staatsferne der Presse in den Mittelpunkt – Inhalt und Aufmachung des
Amtsblattes sind dabei entscheidend
Hier finden Sie
das Urteil des BGH: https://www.youtube.com/watch?v=znOv1AfSrqs
In seinem Urteil
stellt der BGH folgende Grundrechte gegenüber:
·
Art.5 I 2 GG: Die Pressefreiheit und die Freiheit der
Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur
findet nicht statt.
·
Art.28 II 1 GG: Den Gemeinden muss das Recht gewährleistet sein,
alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft im Rahmen der Gesetze in
eigener Verantwortung zu regeln.
Der BGH wertet
die Staatsferne der Presse (Artikel 5 I 2 GG) sehr stark und dominant und kommt
daher zu dem Schluss, dass eine Kommune überwiegend über die Ortspolitik, also über Aufgaben und Tätigkeit der
Gemeindeverwaltung sowie des Gemeinderats zu berichten hat. Berichte über
die kommunale Wirtschaftsförderung sind ebenfalls zulässig. Ausnahmsweise
zulässig sind Hinweise und Berichte zu Gefahrenlagen
und Krisen. Darüber hinausgehende Informationen über private Unternehmen,
Vereine, Initiativen, Beratungen, Kultur und Berichte über gesellschaftliche
Ereignisse seien dagegen unzulässig, da sie den Zeitungen vorbehalten sind.
Neben dem
Amtsblatt-Inhalt fließt in die Bewertung des BGH mit ein, wie das Amtsblatt
aufgemacht ist und ob es etwas kostet. Dieser Gesamtbewertung wird ebenfalls eine große Bedeutung zugetragen.
Insgesamt muss der Fokus einer Stadt darauf liegen, dass in der Gestaltung und
im Inhalt des Amtsblatts kein Leserverlust einer privaten Zeitung zu befürchten
ist. Weiter darf ein Amtsblatt keinen
Einfluss auf die Meinungsbildung der Leser nehmen und muss zu jeder Zeit
als staatliche Publikation zu
erkennen sein.
Konflikt: Städtetag und Gemeindetag sind
der Ansicht, das Selbstverwaltungsrecht der Kommunen wurde vom BGH zu wenig
berücksichtigt
Das Urteil wird
seitens des Städtetages, des
Gemeindetags und von kommunalen Verbänden als zu streng und einseitig empfunden. Der Gemeindetag beruft sich
hierbei auf die Landesverfassung BW, die besagt, dass Gemeinden zur Förderung
von ehrenamtlichem Einsatz für das Gemeinwohl, das kulturelle Leben und den
Sport verpflichtet sind. Der BGH würde diese Förderpflicht zu wenig
berücksichtigen, so der Gemeindetag. Der Städtetag gab nach der
Urteils-Sprechung ein Rechtsgutachten in Auftrag. Dieses Rechtsgutachten sagt
beispielsweise aus:
·
Maßgeblich für die Berichterstattung sei doch die
Bedeutung für die örtliche Gemeinschaft.
Das heißt, laut Rechtsgutachten sind auch Berichte über die
Verwaltungstätigkeit hinaus, erlaubt, solange das Wohl der Gemeinschaft davon profitiert.
·
Ein wichtiger Hinweis an die Kommunen lautet
schließlich: Je kleiner der nichtamtliche Teil im Vergleich zum amtlichen Teil
ausfällt, umso unkritischer. Auch der Anzeigenteil darf nur eine untergeordnete
Rolle spielen.
Auch die
Stadtverwaltung Kraichtal sieht ein Problem, wenn sie die Berichterstattung von
Vereinen und Kirchen, welches das Urteil weitgehend einschränkt, drastisch
reduzieren würde, ohne auf das Wohl der Gemeinschaft zu achten.
Ergebnis
Wie anfangs
erwähnt finden aufgrund der rechtlichen Lage bereits heute bestimmte Berichte
nicht den Weg ins Amtsblatt, sofern sie beispielsweise gewerblicher Natur sind
oder nur einzelne Personen betreffen. Die Anpassung der Richtlinien sorgt daher
nicht für riesige Veränderungen, sondern vielmehr für mehr Klarheit für alle
Beteiligten.
Schon heute
erscheinen grundsätzlich nicht mehr:
·
Speisepläne von (Vereins-)Gaststätten
·
Rein gewerbliche Informationen/Werbung
·
Berichte über Einzelpersonen, welche keine
Relevanz für die Allgemeinheit haben (z.B. Taufberichte, ausgiebige
Hochzeitsberichte von Vereinsmitgliedern)
In Zukunft werden
darüber hinaus nicht mehr im nichtamtlichen redaktionellen Teil des Amtsblattes
erscheinen:
·
Berichte, welche keinen aktuellen Bezug oder
Nachrichtenwert haben
·
Interviews, z.B. von Vereinsmitgliedern
(insgesamt alle Stilmittel, welche zeitungstypisch sind)
·
Fotos, die anzeigenähnlichen Charakter haben
·
Kirchenberichte, die inhaltlich ausschweifend an
einen Kirchenbrief erinnern
Weitere Anpassungen
·
Die derzeitigen Richtlinien stammen aus dem Jahr
2012. Daher sind in die neuen Richtlinien auch Anpassungen im Bereich Urheberrecht eingearbeitet.
·
Karenzzeit
vor den Wahlen: Momentan
liegt diese in Kraichtal bei „Drei Monaten vor einer Wahl“. Diese kann nach
Ansicht der Stadtverwaltung auf acht Ausgaben vor der Wahl verkürzt werden. Was
bisher fehlt, ist eine Karenzzeit vor Wahlen im Anzeigenteil. Diese ist in manchen Kommunen auf zwei Ausgaben vor
Wahlen festgelegt. Die letzte politische Anzeige könnte dann also drei Ausgaben
vor einer Wahl erscheinen. Dies wird auch für Kraichtal vorgeschlagen, um das
Neutralitätsgebot im Anzeigenteil besser zu erfüllen.
·
Das Redaktionsstatut für die Fraktionen soll im
Zuge der Richtlinienänderung in die Richtlinien eingearbeitet werden. Hier fand
nur eine Änderung statt. Folgender Satz wurde aufgenommen: Einladungen zu
Generalversammlungen der Fraktionen werden unter Angabe des Datums, Ortes und
der Tagesordnung auch in der Karenzzeit zugelassen.
Fazit
Die
Stadtverwaltung hat das Kraichtaler Amtsblatt unter den Aspekten des
BGH-Urteils geprüft, mit dem Ergebnis: die Richtlinien müssen angepasst und
modifiziert werden, um den Ansprüchen und der Auffassung des BGH nachzukommen
und die momentane Handhabung der Stadtverwaltung zu untermauern. Hierbei soll –
soweit rechtlich vertretbar - das Gutachten des Städtetags berücksichtigt
werden, um möglichst viele Berichte auch weiterhin veröffentlichen zu können.
Um die Einschränkungen im nichtamtlichen Teil möglichst gering zu halten, soll
in den kommenden Monaten der Verwaltungsteil ausgebaut und verstärkt werden.
Somit wird der amtliche Charakter wie rechtlich gefordert dominanter, ohne dass
der nichtamtliche Teil einschneidend geschwächt werden muss. Daher soll auch
die Zeichenzahl für Berichte des nichtamtlichen Teils aus den bestehenden
Richtlinien übernommen werden.
Richtlinien für das
Amtsblatt der Stadt Kraichtal
Beschlussvorschlag:
Der
Gemeinderat nimmt die rechtliche Situation der kommunalen Amtsblätter zur
Kenntnis und beschließt die neuen Richtlinien für das Amtsblatt der Stadt
Kraichtal wie in der Anlage dieser Vorlage beigefügt.
II. Finanzielle Auswirkung