Sachverhalt:
Die Ämter der
Landräte, der hauptamtlichen Bürgermeister und der Beigeordneten werden nach §
2 des Landeskommunalbesoldungsgesetzes (LKomBesG) einer Besoldungsgruppe
zugeordnet.
Nach § 1 Abs. 2
LKomBesG sind die Beamten nach sachgerechter Bewertung, insbesondere unter
Berücksichtigung der Einwohnerzahl sowie des Umfangs und des Schwierigkeitsgrades
des Amtes, in eine dieser nach § 2 in Betracht kommenden Besoldungsgruppen
einzuweisen.
Über die Einweisung
ist spätestens innerhalb von zwei Monaten nach Amtsantritt zu beschließen. Die
zu Beginn der Amtszeit festgelegte Einweisung gilt grundsätzlich für die
gesamte Amtsperiode und kann nur unter engen Voraussetzungen geändert werden.
Die sachgerechte
Bewertung hat der Gemeinderat in öffentlicher Sitzung vorzunehmen und aufgrund
des dadurch erreichten Bewertungsergebnisses die Einweisung des Stelleninhabers
in eine der in Betracht kommenden Besoldungsgruppen zu beschließen.
Es handelt sich um
eine Entscheidung mit Beurteilungsspielraum. In die Beurteilung dürfen nur
objektive, also amtsbezogene Erwägungen einbezogen werden, die sich aus dem
konkreten kommunalen Wahlamt ergeben (Umfang und Schwierigkeitsgrad des Amtes).
Die konkrete Einwohnerzahl der Körperschaft innerhalb des Rahmens der
Einwohnergrößengruppen nach § 2 LKomBesG dient als erster Anhaltspunkt, reicht
aber für die Einweisungsentscheidung als einziges Kriterium nicht aus. Sie muss
noch unter Berücksichtigung der örtlichen Gegebenheiten vom Gemeinderat
sachgerecht gewichtet und in die Entscheidung mit einbezogen werden.
Persönliche
Verhältnisse des Amtsinhabers, wie berufliche Erfahrung, persönliches
Engagement, Qualifikation, etc. können nicht als Kriterien herangezogen werden.
Für die richtige
Eingruppierung sind also drei Punkte zur Beurteilung heranzuziehen:
1.) Die Einwohnerzahl und 2.) Umfang und 3.) Schwierigkeitsgrad des Amtes.
Diese Beurteilung
fand in der Sitzung des Gemeinderates am 21.04.2021 nicht ausreichend statt, so
dass eine erneute Beschlussfassung nötig ist. In unserer Gemeinderatsvorlage
vom 21.04.2021 gingen wir davon aus, dass in der ersten Amtszeit grundsätzlich die
niedrigere Eingruppierung greift, es sei denn, dass die Gemeinde besondere
(strukturelle) Probleme wie große Industriebrachen
oder Konversionsflächen hinsichtlich
ehemaliger Kasernen oder starke soziale Brennpunkte haben. Da dies in Kraichtal
nicht das Fall ist, haben wir – wie in der Vergangenheit auch - die
Eingruppierung in B 2 BesOBW vorgeschlagen.
Eine
korrekte Beurteilung gilt es nun vorzunehmen.
1.)
Die
Einwohnerzahl
Maßgebende
Einwohnerzahl im Sinne des LKomBesG ist die bei der letzten Volkszählung
ermittelte, vom Statistischen Landesamt auf den 30. Juni des Vorjahres
fortgeschriebene Zahl der Wohnbevölkerung. Danach hatte die Stadt Kraichtal
14.896 Einwohner (Stichtag 30.06.2021).
Bei Gemeindegrößen
mit 10.000 bis 15.000 Einwohnern sind die Besoldungsgruppen
B 2 und B 3 BesOBW der Landesbesoldungsordnung zugeordnet.
Da die
Einwohnerzahl im oberen Bereich der Einwohnergrenze liegt, spricht die
Einwohnerzahl für sich alleine für eine Eingruppierung nach B 3 BesOBW.
2.)
Der
Umfang und die Schwierigkeit des Amtes
a)
Größe des Gemeindegebietes
Die
Stadt Kraichtal ist mit knapp über 80 km² nach Bruchsal die zweitgrößte
Flächenkommune des Landkreises Karlsruhe. Dies hat Auswirkungen auf die Länge
des Kanalnetzes, der Straßen bzw. Feld- und Radwege sowie die vorhandenen
(Wald-) Flächen der Stadtverwaltung, die jeweils unterhalten und betreut werden
müssen.
b) Eine
Stadt mit 9 Stadtteilen
Die
Größe der Gemarkungsfläche sagt an sich nicht viel über den Umfang und den
Schwierigkeitsgrad des Amtes aus. Jedoch gibt es in Kraichtal nicht nur eine
Stadt, sondern gleich 9 Stadtteile. Diese hohe Anzahl an Stadtteilen hat große
Auswirkungen auf viele Bereiche:
Ø
Öffentliche Einrichtungen werden in der Regel
mehrfach im Gemeinde-gebiet vorgehalten wie z. B. 9 Sporthallen, 9 reguläre
Friedhöfe, 11 Kindergärten, 5 Grundschulen und eine weiterführende Schule.
Daneben gibt es mehrfach Sport- und Bolzplätze, Spielplätze sowie Bus- und
Bahnhaltestellen, etc. – Sicherlich überdurchschnittliche viele Einrichtungen
im Vergleich zu anderen Gemeinden unserer Größenordnung. Diese Einrichtungen
ziehen einen hohen Verwaltungsaufwand mit entsprechendem Konfliktpotential
sowie hohe Ausgaben nach sich.
# Dafür haben andere Gemeinden mehr verschiedene städtische Einrichtungen wie
Schwimm- und Freibäder, Bibliotheken, Kliniken, Altenheime, Theater,
Messen/Veranstaltungszentren etc.
# Nur zwei von 11 Kindergärten betreibt die Stadt
selbst
# Zwar haben wir knapp 15.000 Einwohner und eine
große Gemeindefläche, jedoch ist Kraichtal gerade durch die Vielzahl der
Stadtteile sehr dörflich geprägt. Lt. Polizeibericht noch etwas „heile Welt“.
Ø
Stadtverwaltung: Die Menge der Einrichtungen hat
wie oben dargestellt massive Auswirkungen auf den Arbeitsumfang der Stadtverwaltung.
Neben Arbeitskräfte der Verwaltung binden diese auch im Hausmeister- und
Bauhofbereich. So gibt es z. B. im Bereich Stadtplanung nicht nur einen
Stadtkern, sondern gleich neun. Um ein städtebauliches Wachstum in allen
Stadtteilen zu ermöglichen, sind entsprechend viele Bebauungspläne
aufzustellen. Sanierungsprogramme sind auf einzelne Stadtteile begrenzt. So ist
eine erneute Antragsstellung für andere Stadtteile nötig. – Damit haben die
große Gemarkungsfläche und die Siedlungsstruktur mannigfaltige Auswirkungen auf
die Arbeit der Verwaltung.
# Der Aufgabenumfang für die Verwaltung ist im Vergleich zu anderen Gemeinden
größer, jedoch ist die Verwaltung gut aufgestellt und die Führungsbreite bei
drei Amtsleitern für den Bürgermeister nicht überdurchschnittlich groß
Ø
Kosten: Die Struktur unserer Stadt hat – wie oben
dargestellt – große finanzielle Auswirkungen sowohl auf Sach- als auch
Personalkosten. Dies erfordert bei einer Stadt mit knappen Finanzmitteln vom
Bürgermeister ständig Prioritäten zu setzen und diese zu vertreten.
Ø
Kirchen/Vereine
Ob Kirchen, Sport-, Musik- oder sonstige Vereine – auch damit ist Kraichtal
überdurchschnittlich gesegnet. Was für den Bürgermeister nicht nur
überdurchschnittlich viele Termine sondern oftmals auch Konfliktpotential
bedeutet.
Die Jugend- und Vereinsarbeit ist aufgrund der starken
Ausprägung ein wichtiges Thema, auch hinsichtlich der Förderung.
# Kirchen und Vereine sorgen für eine gutes
Miteinander, verbinden Menschen. Man kennt sich – das erleichtert oft auch die
Kommunikation
Ø
Infrastrukturausbau – Breitband
Ein wichtiger Bereich in einer ländlich geprägten
Gegend, insbesondere auch im Zuge der zunehmenden Digitalisierung, die weiter
stark vorangetrieben werden muss.
Ø
Gewerbe
Kraichtal hat viele gute kleine Unternehmen. Jedoch hat Kraichtal im Vergleich
zu umliegenden Gemeinden noch Potential nach oben. Die vorhanden Betriebe
müssen bei Bedarf intensiv betreut werden, Umsiedlungen aktiv begleitet und
neue Unternehmen angesiedelt werden. Gewerbegebiete sind dringend auszuweisen.
Ein wichtiges Arbeitsfeld des Bürgermeisters mit Nachholbedarf.
Ø
Feuerwehr
Neun Wehren in den jeweiligen Stadtteilen zu unterstützen, auszustatten und so
immer wieder zukunftsfähig zu halten ist eine große Daueraufgabe.
c) Verkehr
Die Verkehrsbelastung ist aufgrund der fehlenden Umgehungen in einzelnen
Stadtteilen sehr groß. Schon seit Jahrzehnten sucht man nach Lösungen. Die
Planungen durch Bund und Land sind sehr langwierig, so dass mit großer Energie
und langem Atem Projekte wie die Querspange zur B 35 Nordumgehung von Bruchsal
zur Entlastung von Unteröwisheim oder andere Ortsumgehungen mit Anschluss von
Gewerbegebiete weiterverfolgt werden. Hier ist der Bürgermeister besonders
gefordert. Der Kommunikationsbedarf mit den übergeordneten Behörden ist enorm,
die interkommunaler Abstimmung und Weiterverfolgung von Zielen eine
herausfordernde Aufgabe. Gleichzeitig gilt es, die Radwege in unserer großen
Flächengemeinde und den ÖPNV weiter auszubauen.
Bei
laufenden (Land-)Straßenbauprojekten projiziert sich z. B. der Unmut der
Anwohner meist auf die Person des Bürgermeisters. Um gute Lösungen zu
erreichen, erfordert es vom Bürgermeister massiv auf die übergeordneten
Behörden einzuwirken, um so gute Lösungen für die Bevölkerung zu erreichen.
d) Beteiligungen
der Stadt
Der Bürgermeister vertritt bei all den Beteiligungen die Stadt
Kraichtal. Damit trägt er mit die Verantwortung bei den Beteiligungen.
Entscheidungen sind zu erarbeiten und zu vertreten. Um etwas zu verändern oder
zu bewegen ist ein sehr hoher Abstimmungsbedarf mit den anderen Beteiligten
nötig.
#
Unsere Beteiligungen sind in der Regel so gering, dass es auf unser
Stimmverhalten nicht ankommt. Unabhängig davon nehmen z. B. die eingerichteten
Zweckverbände Arbeit und Verantwortung der Stadt auch ab. Schließlich hat man
diese zur leichteren Aufgabenerfüllung ins Leben gerufen.
e)
Kinderbetreuung, Jugendarbeit
Als Auswirkung der Siedlungsentwicklung steht der Bereich
Kinderbetreuung besonders im Fokus. So müssen im Rahmen der Kindergartenbedarfsplanung
zeitnah weitere Betreuungsplätze geschaffen werden. Neben weiteren
Betreuungsformen wie Waldkindergarten, TigeR-Gruppen ist auch der Neubau von Kindertagesstätten über mehrere
Stadtteile hinweg zu planen und voranzutreiben. Auch der Krippenbereich sowie
die Ganztagesbetreuung sind auszubauen.
Die zentrale Jugendarbeit der Stadt (derzeit in
Unteröwisheim) in einer Gemeinde mit 9 Stadtteilen ist eine überaus schwierige
Aufgabe, bei der man die vielen (oftmals berechtigten) Wünsche aus anderen
Stadtteilen nicht erfüllen kann.
f)
Schulentwicklung
Kraichtal hat aufgrund seiner Gemeindestruktur derzeit noch fünf kleine
Grundschulen und eine weiterführende Gemeinschaftsschule. Rückläufige
Schülerzahlen erfordern zeitnah zumindest die Überprüfung der
Grundschullandschaft in Kraichtal. Eine Reduzierung der Grundschulstandorte und
Stärkung der verbleibenden ist nicht ausgeschlossen. Konzepte sind zu
entwickeln und zu vertreten.
Daneben gilt es den zentralen Schulstandort in Münzesheim und damit auch
die vorhandene Gemeinschaftsschule weiter zu stärken. Die Erweiterung der
Grundschule zu einer Ganztagesgrundschule wurde beantragt. Vorhandene
Betreuungsangebote an anderen Schulen sind aufgrund der finanziellen Situation
der Stadt kritisch zu hinterfragen.
Die Schulen sind für die Nutzung neuer Medien im Unterricht
vorzubereiten. Planung und Umsetzung des Digitalpaktes/Medienentwicklungsplanes
erfordern hohen Abstimmungsbedarf.
g)
Gremienarbeit
Kraichtal
hat aufgrund der unechten Teilortswahl einen sehr großen Gemeinderat mit
derzeit 29 Rätinnen und Räten. Das große Aufgabenspektrum erfordert vom
Bürgermeister die Teilnahme an viele Arbeitsgremien wie,
> Sitzungen des Technischen Ausschusses
> Sitzungen der Haushaltsstrukturkommission
> Klausurtagungen
> Gemeinsamer Kindergartenausschuss,
> Arbeitskreis „Schulen“
> Arbeitskreis „Tourismus“
> Kuratorium Jugendhaus Kraichtal
> Umlegungsausschuss
> Fraktionsgespräche
In der Regel besteht ein sehr hoher Abstimmungsbedarf sowohl zwischen
den politischen Gremien als auch auf der Verwaltungsebene, wobei der
Bürgermeister eine entscheidende Rolle dabei einnimmt. Die Meinungsvielfalt in
diesem großen Gremium machen die Gremienarbeit nicht einfach.
Die regelmäßige Teilnahme des Bürgermeisters erfordert ein großes fachliches und zeitliches Engagement, gerade auch in den Abendstunden.
# Derzeit gibt es keinen Seniorenrat oder Jugendgemeinderat. Ebenso keine Ortschaftsräte.
h)
Klima- und Umweltschutz
Hier sind umfangreiche Konzepte zu erarbeiten und weiter zu
entwickeln. So ist z. B. das Starkregenkonzept zu implementieren. Durch unsere
Topographie sind wir in der Vergangenheit überdurchschnittlich von
Starkregenereignisse betroffen gewesen, die insbesondere vom Bürgermeister
überdurchschnittlichen Einsatz (zu jeder Tages- und Nachtzeit) erforderten.
i)
Bevölkerungsschutz
Aufgrund der derzeitigen Corona-Krise sind vielfältige
zusätzliche Anforderungen entstanden. Regelungen und Entscheidungen mussten oft
sehr kurzfristig getroffen und umgesetzt werden.
j)
Die Finanzsituation der Gemeinde stellt
eine große Herausforderung dar. Aufgrund fehlender Haushaltsmittel müssen
Sparmaßnahmen ergriffen und Prioritäten bei bereits veranschlagten
Investitionsmaßnahmen festgelegt werden. Dies mit dem stark angestiegenen
Anspruchsdenken vieler Bürgerinnen und Bürger an die Gemeindeverwaltung in
Einklang zu bringen ist eine weitere große Herausforderung.
Die Themenvielfalt
wird sich wohl nicht grundlegend von anderen Gemeinden unterscheiden. Jedoch
hat Kraichtal durch seine 9 Stadtteile im Vergleich zu anderen Gemeinden noch
zusätzliche andere Problemstellungen zu lösen. Die Vielzahl der Ortsteile hat
uns Einrichtungen und Regelungen beschert, die wir uns nicht mehr alle leisten
können.
Wichtige
strukturelle Entscheidungen stehen an und einige scheinen fast unmöglich.
Jedoch würden wir gute zukunftsfähig Lösungen ungenutzt verstreichen lassen. Um
dies zu verhindern ist ein überdurchschnittliches Engagement des Bürgermeisters
notwendig.
Schließlich wird
aufgrund der Finanzschwachheit der Stadt Kraichtal die Finanzsituation immer
prekärer. Die Suche und Ausarbeitung fachlich fundierter Lösungen und die
Herbeiführung von Entscheidungen sowie deren Umsetzung lassen die Aufgaben des
Bürgermeisters in Kraichtal als äußerst schwierig erscheinen.
Damit
sprechen unseres Erachtens sowohl die Einwohnerzahl, der Umfang der Aufgaben
als auch die Schwierigkeit derer für eine Eingruppierung in die
Besoldungsgruppe B 3 BesOBW.
-/-
Beschlussvorschlag:
Der
Gemeinderat berät über die Eingruppierung des Bürgermeisters, gewichtet die örtlichen
Gegebenheiten sachgerecht ab und legt durch Beschluss die Bewertung fest.
Ebenfalls durch Beschluss ist der Bürgermeister dann in die entsprechende
Stelle einzuweisen.
II. Finanzielle Auswirkung
Im
Haushaltsplan sind eine entsprechende Stelle sowie die nötigen Finanzmittel
enthalten. Der Unterschied der Bezüge zwischen B 2 und B 3 BesOBW beträgt im
Monat ca. 485 €.